Seit 40 Jahren unterstützt St. Thomas die Gefängnisseelsorge im größten Männergefängnis Perus, in Lurigancho/Lima. Frau Gisela Matt-Bruno, die sich im Eine-Welt-Ausschuss für die Gefängnispastoral engagiert und schon mehrmals vor Ort war, hat über diese Zeit eine Chronik verfasst, die Sie hier lesen können.

Vor etwa 40 Jahren reiste Pfarrer Sußbauer nach Peru. Er traf dort Pfr. Woitschek, den damaligen Pfarrer der deutschen Auslandsgemeinde in Lima und hat sich mit ihm beraten, ob er nicht eine Gemeinde finden könnte, die als „Patengemeinde“ von St. Thomas passen würde. Kurz vor seinem Tod, als er noch gesund genug war, hat er mich besucht und sich für das Buch „Dank aus Lima“, das der Eine-Welt-Ausschuss für ihn zum Abschied mit Zeugnissen aus Lima erstellt hatte, bedankt. Vom Inhalt war er tief beeindruckt, vor allem von den Aussagen ehemaliger Gefangener.

Bei dieser Gelegenheit hat er mir die Geschichte von den Anfängen erzählt. Pfr. Woitschek schlug ihm als erstes die Gefängnispastoral in Lurigancho vor. Er hätte zunächst gezögert. Ein Gefängnis? Die Not dort schreie zum Himmel, habe Pfr. Woitschek gesagt, war dann aber doch darauf eingegangen, zusätzlich eine Pfarrgemeinde dort in der Nähe auszuwählen, es war „Señor de la Esperanza“ (Herr der Hoffnung), ebenso wie das Gefängnis im Stadtteil San Juan de Lurigancho gelegen, in einer Gegend, die sich „Canto Grande“ (Großes Lied) nannte. Pfr. Sußbauer meinte nämlich damals, nur ein Gefängnis statt einer Gemeinde könne er St. Thomas wohl nicht anbieten.

Zu dieser Zeit arbeitete die amerikanische Schwester Ana Marzolo schon im Gefängnis, leider weiß ich nicht, ob Pfr. Sußbauer sie kennen gelernt hat, denn er hatte mehr Kontakt mit dem damaligen Gefängnispfarrer, P. Fausto Pardo SJ, der in den 90er Jahren gestorben ist.

Im Jahr 1983 gab es für Ana und ihre Mitschwestern Maria Pedro Conway und Juana Sawyer ein dramatisches Ereignis: sie wurden von fluchtbereiten Gefangenen als Geiseln genommen, um ihre Flucht in einem Kleinbus zu erpressen. Der Kleinbus verließ mit den Gefangenen und deren Geiseln das Gefängnis; nach eine Fahrt zur Hauptstraße der Gegend eröffnete die Polizei trotz der Geiseln das Feuer auf das Fluchtauto, außer allen Gefangenen starb dabei Schwester Juana Sawyer. Die beiden anderen Schwestern arbeiteten nach diesem Vorfall weiter im Dienste der Gefangenen in der Capellanía (Seelsorgebereich im Gefängnis).

In den 80er Jahren waren die Zustände im Gefängnis unglaublich, außer „gewöhnlichen“ Gefangenen gab es noch viele politische Gefangene, für die dann später das Hochsicherheitsgefängnis „Castro Castro“ erbaut wurde, zwei der Schwestern, Maria Pedro Conway und eine französische Schwester, Madeleine Wartelle, die damals von uns finanziert wurden, gingen mit den politischen Gefangenen dorthin. Ana Marzolo und ihre Mitschwester Theresa Pasterczyk blieben in Lurigancho.

Die größten Probleme in Lurigancho entstanden mit den drogenabhängigen Gefangenen, die für die übrigen Gefangenen der letzte Dreck waren und von ihnen aus den festen Gebäuden herausgeworfen wurden. Sie waren die ganz unten, die elendsten Personen. Sie durften Unterstände bauen im Bereich der Capellanía, und Ana begann Anfang der 90er Jahre mit dem Programm „ANDA“, das helfen sollte, die Süchtigen von ihrem Stoff frei zu machen. ANDA ist Abkürzung für „Alcolicos, Narcotico, Drogadictos Abstinencia“ und zugleich ein motivierendes Wort im Spanischen, „Geh!“

Im Laufe der Jahre wurden durch Eigenarbeit der Teilnehmenden aus primitiven Unterständen feste Häuser zum Wohnen und Räume für Treffen für therapeutische Gruppenarbeit, aber auch flankierende Bildungsprogramme bis zur Möglichkeit, Schulabschlüsse nachzuholen. Im Mittelpunkt des therapeutischen Programms steht die Arbeit mit dem innerern Kind, mit der wohlwollenden Aufarbeitung kindlicher Verletzungen und Traumatisierungen.