Fünf archetypische Nachbarn hat uns Pater Bernhard Grom in seiner gereimten Faschingspredigt am Faschingssonntag 2021 vor Augen geführt. Sehr passend – jetzt wo wir Corona-bedingt noch mehr zuhause sitzen.
Das Lesen lohnt besonders in der Fastenzeit, wenn wir uns mal wieder an der eigenen Nase nehmen wollen…

Ein Mensch wohnt meistens nicht allein;
auch and’re woll’n auf Erden sein.
Ob übern Hof, ob Wand an Wand,
erleben wir drum allerhand.
Was einst nicht stand im Mietvertrag,
wird hier zum Glück und dort zur Plag.
Mal ist sie nett, mal mangelhaft,
verschieden ist die Nachbarschaft.
   Ich will euch einige Typen verraten
   als Frau und als Mann, in beiden Formaten.

Typ 1: Die oder der Neugierige
Wer guckt versteckt hinter Gardinen,
als zählte er die Apfelsinen
auf unserm Abendtisch daheim?
Wer am Balkon gafft gut ’ne Stunde,
wenn wir mit einer Freundesrunde
im Garten feiern froh beim Wein?
Wer zückt mit Jägerblick ein Fernglas,
wenn wir im Übermut mit Vollgas
losstarten in den Ski-Urlaub?
Ein Auge ist’s, das alles sieht,
was in der Nachbarschaft geschieht.
Ein Blockwart ist’s, der uns bewacht,
von morgens früh bis in die Nacht.
   Ja, Neugier hält jung, sie schenkt Energie:
   Wenn’s Fernsehen langweilt uns da und hie,
   nimmt man als Ersatz, fragt nicht lange, wie,
   die Nachbarn als Dschungelcamp-Reality.
Die Neugier stellt auch viele Fragen.
Was würdet ihr zu diesen sagen:
„Haben Sie neue Vorhänge?“
„Was unternehmen Sie heute noch?
„Was war das gestern für ein Küchengeruch?“
„Was waren das für Geräusche heute Nacht?“
„War der Besuch gestern Ihr Freund?“
„Sind Sie verheiratet?“
„Haben Sie Ihr Auto schon abbezahlt?“
Solch Fragen hat manchmal auch doppelten Sinn,
überrascht dann mit informativem Gewinn.
Ein Neugieriger fragt: „Was macht denn Ihr Mann?“
Die Antwort: „Der ist bei der Polizei.“
Der Neugierige weiter: „Gefällt es ihm dort?“
Die Antwort: „Weiß nicht. Er wurde erst vor einer halben Stunde abgeholt.“
Die Neugier schenkt Wissen, das breitet sich aus,
so bleibt das Private nicht länger im Haus.
Ein tüchtiger Blockwart, der weiß ganz genau,
wie lange ich abends noch Fernsehen schau.
Nach Größe und Farbe er sicher auch kennt,
die Wäsche, die an der Balkonleine hängt.
Die Freunde, die kommen, nach Zahl und Frisur
zu schildern, wär’ für ihn Gedächtnissport pur.
   „Der liebe Gott weiß alles; nur die Nachbarn wissen mehr.“
Viel Wissen ist praktisch, um es beim Ratschen
mit anderen Nachbarn gleich weiterzutratschen.
Doch will ich als Christ auch positiv denken,
den Geist auf das Gute im Menschen lenken:
Vielleicht ist die Neugier von Nachbarn von Nutz,
sie kann uns doch dienen als Einbrecherschutz,
als Überwachungskamera,
als Sicherheitswacht et cetera. 

Typ 2: Die oder der Laute
Schon wieder bin ich aufgewacht.
Wer duscht denn mitten in der Nacht?
Mein Nebenan, er heißt Joe Krach,
wir wohnen unterm selben Dach.
Sein Name ist für ihn Programm,
denk ich an ihn, so wird mir bang.
Er stampft mit Elefantentritt
den Flur entlang – kein Tangoschritt!
Ich hör’ auch, wenn er kommt zurück –
da knallt die Tür, es ist verrückt.
Frau Krach klopft kraftvoll und kokett
mit Stöckelschuhen aufs Parkett.
Das Fernsehn dreh’n sie in die Höh’,
so dass ich jedes Wort versteh.
Staub saugen – nur am Sonntag früh.
Gedacht ist diese Melodie
als Fortsetzung von Partylärm,
den wir am Samstag hör’n so gern.
Damit die Wohnung sei kein Kerker,
verschönt Joe Krach sie als Heimwerker.
Als nachts um drei ein Nachbar läutet,
er ganz verdutzt zur Türe schreitet,
die Bohrmaschine in der Hand,
plumps, sie entfiel ihm, wo er stand.
Joe Krach – das krieg’ ich abends mit –
ist zugetan auch der Musik.
Das ganze Haus will er beglücken
mit Pop und Rock in lauten Stücken.
Was heißt schon laut?
Er meint: So richtig laut wird’s erst,
wenn du die Nachbarn nicht mehr hörst,
die wild Sturm läuten oder klopfen,
verzweifelt sich die Ohr’n zustopfen.
Voll Zorn warf jüngst mit einem Stein
das Fenster ein Wutbürger ein.
Draus folgerte Joe quietschfidel:
„Musik von mir ist eben schön,
auch andere kann sie betören,
der Kerl wollt’ sie nur besser hören.
Er soll dies nicht vergeblich hoffen,
in Zukunft lass’ ich ’s Fenster offen.“
Auch außerhäuslich zeigt Talent
Joe Krach, wofür ihn jeder kennt.
Im Sommer: mittags Rasen mähen,
im Herbst: motorstark Laub wegwehen,
zum Jahresend’: Silversterböller,
sein Lärmkonto wird voll und völler.
Ich spür’ so ein Adrenalin,
das diesem Typ ist gar nicht grün.
Was tun?
Als Feind ihn sehen, hassgetrieben?
O nein, denn Feinde muss man lieben.
Und weil ich dies nie schaffen könnt’,
werd’ zügeln ich mein Temperament.
Zur Faust ball’ ich zwar meine Hand,
klopf’ aber nur an seine Wand.

Typ 3: Die oder der Schwierige
Ich bitt’ euch, werdet nicht wie er (oder sie),
er macht sich nur das Leben schwer.
Kommt mal Besuch, erteilt er Noten:
„Ihr Fahrrad steht hier ganz verboten.“
Delikte gibt’s für ihn zuhauf,
er schreibt mit Lust Falschparker auf.
Ein Plastikstück im Biomüll?
Da hält der Mann nicht lange still.
Er klingelt jeden an und fragt:
„Wer war das, wer hat das gewagt?“
Hört kurz nach zehn noch nebenan
jemand Musik von Karajan,
ruft er die Polizei herbei:
„Mit Blaulicht kommen, eins, zwei, drei!“
Bei Grillrauchdüftchen dann und wann
schlägt er wie ein Rauchmelder an.
Zu hoch ist ihm des Nachbarn Zaun,
’ne Handbreit nur, man merkt es kaum.
Die Birke wirft auch einen Schatten,
das kann er keineswegs gestatten,
zumal im Herbst noch Blätter fallen,
im Wind auf sein Gelände wallen.
All das soll klären ein Prozess,
recht haben will er im Exzess.
Was tun?
Vielleicht könnt’ machen etwas locker
ihn mit Geschick ein Seelendokter.
Ein Zusatzmittel wüsst’ ich dann:
Kauf ihm ein Fläschchen Baldrian.

Typ 4: Der Tierfreund
Manch Nachbar gleicht bei Stress sich aus,
indem Getier er holt ins Haus.
Die Tiere sind für ihn Genies,
erinnern ihn ans Paradies.
Ob schwimmend, laufend, mit Gesang
begleiten’s ihn den Tag entlang.
Die Fische grüßen bunt und stumm
ihn morgens im Aquarium.
Mit Liebe hat er ausgesucht
die edelsten aus bester Zucht.
Sein Pudel ist ihm sehr gewogen,
als Welpen hat er ihn erzogen.
Hat ihm geduldig beigebracht,
wie er geschickt, behänd und sacht
mit seinem Kater spielt den Ball
durch Stuhlbein, Tischbein überall.
Am Tennisplatz bringt er die Bälle
auf einen Wink zur rechten Stelle.
Wenn unser Tierfreund mal ist krank,
der Pudel tröstet ihn zum Dank.
Legt sich zu ihm und schaut ihn an:
Ein einzig Wedeln sagt ihm dann,
   was Menschen, die wünschen, dass er gesunde,
   nicht sagen könnten in einer Stunde.
Einst ausgesetzt, ist auch der Kater
für unsern Nachbar ein Berater.
Ihn kann er kraulen, ihm vertrauen:
kein kritisch Fragen, nur Miauen.
Mehr als Verwandten er erzählt
dem kleinen Freund, wenn ihn was quält.
Zwar machen Futterkosten ärmer,
doch Tiere sind halt Seelenwärmer.
Wenn Nachbarn wandern ferne Wege,
nimmt er ihr Tier in Urlaubspflege.
Für Sittiche und ihre Zunft
im Garten steht die Unterkunft.
Im Käfig geben sie alert
ihr abendliches Piepskonzert.
   Frei nach Franziskus predigt er gern:
   „Alles, was Federn hat, lobe den Herrn.“

Typ 5: Die gute Seele
Zu ziemlich besten Nachbarn zähle
mit Freude ich die gute Seele.
Sie grüßt und hat ein freundlich’ Wort
für Jung und Alt ringsum am Ort.
Sie lädt auch unaufdringlich ein
zum Grill mit Bier, zum Fest mit Wein.
Braucht jemand schnell mal was im Haus,
so leiht sie’s ihm natürlich aus,
ganz gleich, ob Mixer oder Mehl
ob Zucker, Salz, ob Zimt, ob Öl.
Den Jungen hilft sie Babysitten,
kauft ein für Alte, wenn sie bitten.
Nimmt stapelweis’, ob kurz, ob lang,
für andere Pakete an.
Im Urlaub darf sie Blumen gießen
und abends viele Rollos schließen.
Das meiste Weihnachtsfestgebäck,
das naschen Nachbarskinder weg.
Was tun?
Ihr öfter mal ein Ständchen singen?
Ein Denkmal vor dem Haus anbringen?
Vielleicht sollt’ man sie davor schützen,
dass wir sie allzu sehr ausnützen.

Ich hör’ nun auf, muss in mich geh’n
und kritisch auf mich selber seh’n.
Längst geht die Frag’ mir durch den Sinn,
was ich denn für ein Nachbar bin.

P. Bernhard Grom