Pater Bernhard Grom hat in seiner gereimten Faschingspredigt am Faschingssonntag 2023 ein immerwährendes Thema mit Humor angepackt. Auch wenn immer noch Krieg tobt und Vielen daher nicht zum Lachen ist, wollen wir keine Lücke in unserer Sammlung einreißen lassen und hoffen, uns bald wieder beim Lesen prächtig zu amüsieren. Mit Sicherheit lohnt es sich immer, wenn wir uns mal wieder an der eigenen Nase nehmen wollen…

Heute möchte ich über ein Thema nachdenken, das hoffentlich alle von uns betrifft: das Altwerden. Sie fragen sich vielleicht: Ist alt werden etwas, das wir erhoffen? Natürlich ist es das, denn niemand will jung sterben, und alt werden ist das einzige Mittel, das man bisher gefunden hat, um lange zu leben. Aber alt werden – so warnt ein Buchtitel – ist doch nichts für Feiglinge. Trotzdem kann man mit Humor darüber reden. Also auch an Fasching. Lassen wir Menschen zu Wort kommen, die es versucht haben.

Am Geburtstag erinnern wir uns: „Schon wieder ein Jahr älter!“ und fragen uns insgeheim: Wie viele Jahre werden’s noch sein ?“ Wilhelm Busch, ein Großmeister des Humors, schildert, wie wir uns durch die Jahrzehnte hindurchhoffen:

Das große Glück, noch klein zu sein,‘
sieht mancher Mensch als Kind nicht ein
und möchte, dass er ungefähr
so 16 oder 17 wär‘.

Doch schon mit 18 denkt er: „Halt!‘
Wer über 20 ist, ist alt.“
Warum? Die 20 sind vergnüglich –
auch sind die 30 noch vorzüglich.

Zwar in den 40 – welche Wende –
da gilt die 50 fast als Ende.
Doch in den 50, peu à peu,
schraubt man das Ende in die Höh‘!

Die 60 scheinen noch passabel
und erst die 70 miserabel.
Mit 70 aber hofft man still:
„Ich schaff‘ die 80, so Gott will.“

Wer dann die 80 biblisch überlebt,
zielsicher auf die 90 strebt.
Dort angelangt, sucht er geschwind
nach Freunden, die noch älter sind.

Doch hat die Mitte 90 man erreicht
– die Jahre, wo einen nichts mehr wundert -,
denkt man mitunter: „Na – vielleicht
schaffst du mit Gottes Hilfe auch die 100!“

In unserer Sprache enden alle Zahlen zwischen 19 und 100 mit der Silbe ZIG: 20, 21, 22 usw. Daran hat ein unbekannter Autor folgende Betrachtung geknüpft:

Das kleine ZIG ist ein Fanal.
Mit ZwanZIG kommt’s zum ersten Mal.
Du find’st das kleine ZIG recht fein
und möchtest gar noch älter sein.
Mit Dreißig macht es Dir nichts aus.
Du kennst damit dich ja schon aus
und stehest fleißig und geschickt,
bis es zum nächsten Male „ZIGT“.
Mit VierZIG kommst du zur Besinnung,
gehörst schon fest zu deiner Innung
und machst vielleicht in deinem Glück
auch schon mal einen Blick zurück.
Mit FünZIG kommt wie Donnerknall
dir vor das kleine ZIG-Signal.
Du schlägst dir an die Brust im Gehen
und denkst: Das woll‘n wir doch mal sehen!
Und gehst und gehst mit festem Blick,
und plötzlich macht es wieder…ZIG.
Du bist erstaunt, ja fast perplex,
denn diesmal steht davor die Sechs.
Du sollst das Leben weiter lieben,
steht auch vor deinem ZIG die Sieben!
Dann steht, eh‘ du daran gedacht,
das kleine ZIG schon nach der Acht.
Bei guter Gesundheit sollt‘ es uns freu‘n,
erreichst du vor dem ZIG die Neun.
Und werden’s hundert Jahr – famos! –
dann bist das ZIG du wieder los!

Was für eine wunderbare Einrichtung ist unser Gedächtnis! In dieser Schatzkammer verwahren wir wichtige Zahlen wie unsere Telefonnummer, Namen treuer Freunde und Erlebnisse aus guten Tagen. Sagte ich: Zahlen und Namen? Da hat einmal einer gestanden: „Drei Dinge vergesse ich immer: erstens Zahlen, zweitens Namen und drittens – ja drittens? Das habe ich schon wieder vergessen.“ Lässt das Gedächtnis im Alter etwas nach, sollte man daraus nicht gleich ein Anzeichen von Demenz machen. Ein unbekannter Gelegenheitsdichter hat die ganz normale Gedächtnisschwäche im Alter so beschrieben:

Triffst du mal ‘ne bekannte Dame –
mein Gott, wie war nochmal ihr Name?
Tausend Erinnerungen kommen,
bist auf den Namen nicht gekommen.
Du hast sie einzeln aufgezählt,
der Name nur – der Name fehlt.
Da ruft es aus dem Hinterhalt:
„O Mensch, was wird man doch so alt!“

Brauchst du mal etwas aus dem Schrank,
der gut gefüllt ist – Gott sei Dank.
Kaum hast geöffnet du die Tür,
da fragst du dich: Was wollt‘ ich hier?
Verstört bist du, dass in Sekunden,
das, was du vor hast, ist entschwunden.
Da ruft es aus dem Hinterhalt:
„O Mensch, was wird man doch so alt!“
wird man doch so alt!“

Und kommst du mal woanders hin,
bewegst du gleich in deinem Sinn,
dein Sparbuch bestens zu verstecken,
damit kein Dieb es kann entdecken.
Brauchst du dann Geld, hast du indessen,
‘s Geheimversteck total vergessen.
O Gott! stöhnst du, ganz starr vor Schreck:
Was soll ich tun – mein Geld ist weg!
Da ruft es aus dem Hinterhalt:
„O Mensch, was wird man doch so alt!“

Zum Frühstück brauchst du drei Tabletten –
die sollen dein Gedächtnis retten.
Du fragst dich plötzlich ganz beklommen:
Hab‘ ich bereits sie eingenommen?
Ja – ist mein Denken denn noch dicht?
Denn zwei Mal nehmen darf ich nicht!
Da ruft es aus dem Hinterhalt:
„O Mensch, was wird man doch so alt!“

Trotzdem versuchen manche einen Trick: Sie sagen sich, dass im Grunde nur die anderen alt werden. Eugen Roth hat diesen Kniff treffend beschrieben:

 Wir seh’n mit Grauen ringherum,
die Leute werden alt und dumm.
Nur wir allein in weitem Kreise,
wir bleiben jung und werden weise.

Weise werden – das könnte DIE Chance des Altwerdens sein. Wächst mit den Jahren nicht die Selbsterkenntnis, die Erfahren, wie man seine Schwächen abmildert oder wenigstens versteckt. Wird man nicht auch durch Schaden klug und vielleicht sogar tugendhaft? Der Dichter Theodor Fontane hat dazu Zweifel angemeldet und gemeint, dass wir auch immer bessere Ausreden für unsere Unzulänglichkeiten finden – bis uns vielleicht die Reaktion von unverbildeten Kindern nachdenklich macht:

Man wird nicht besser mit den Jahren –
Wie sollt es auch? man wird bequem
Und bringt, um sich die Reu‘ zu sparen,
Die Fehler all in ein System.

Das gibt dann eine glatte Fläche,
Man gleitet unbehindert fort,
Und „allgemeine Menschenschwäche“
Wird unser Trost- und Losungswort.

Die Fragen alle sind erledigt,
Das eine geht, das andre nicht,
Nur manchmal eine stumme Predigt
Hält uns der Kinder Angesicht.

Auch ein moderner Dichter, Robert Gernhardt, teilt diese Skepsis, wenn er schreibt:
„Es ist nicht schön, wenn man begreift:
Du bist nur gealtert, du bist nicht gereift.
Es tut nicht gut, wenn man bemerkt:
Die Zeit hat nur deine Schwächen verstärkt.“

Klingt das nicht allzu pessimistisch? Kann und muss man sich nicht auch mit sich selbst versöhnen, wie Gott es uns vormacht? Ein anderer Ton wird da in einem Gebet angeschlagen, das man sowohl Teresa von Avila als auch Franz von Sales zugeschrieben hat:
„Herr, du weißt besser als ich, dass ich von Tag zu Tag älter und eines Tages alt sein werde. Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen. Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen. Lehre mich, nachdenklich (aber nicht grüblerisch), hilfreich (aber nicht diktatorisch) zu sein. Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu gelangen. Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu, und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr. Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir die Krankheitsschilderungen anderer mit Freude anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen. Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann. Erhalte mich so liebenswert wie möglich. Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken, und verleihe mir, o Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.“ Amen