Wer ist verantwortlich für uns?
Den heutigen Sonntag begann ich damit, interessante Tauben-Beobachtungen aus dem Fenster des Achterzimmers anzustellen. Wie erwähnt, waren da ein paar Meter entfernt Bahn-Hochgleise, unter und neben denen anscheinend eine Gruppe Tauben wohnte. Das Männchen gurrte sich die Seele aus dem Leib, plusterte seinen Hals auf und rannte hinter jeder Taubendame her, die ließen sich davon aber nicht im Geringsten beeindrucken. Ich wünschte ihm viel Glück für den kommenden Tag und begab mich zum üblichen Tee- und Toast-Frühstück, das zur Feier des Wochenendes sogar durch gekochte Eier ergänzt wurde.
Um 10.00 Uhr ging es für uns alle dann wieder in einen kleinen Bus, der uns nach „Brú na Bóinne“, einer Gegend mit prähistorischen Kultstätten bringen sollte. Diesmal hieß der Busfahrer Tony und er war sogar noch lustiger als der von Freitag. Zuerst wollte er wissen, wer „in charge“, also verantwortlich ist, und als sich der Johannes mit dem Hinweis, er sei 22 meldete, meinte der Busfahrer nur entsetzt „You look like 12!“ Er wies uns dann aber schnell darauf hin, dass wir das, was er so von sich gab, ja nicht ernst nehmen sollten, und fuhr los. Auf dem Weg empfahl er uns, wir sollten unbedingt auch mal nach Nordirland, besonders ins Titanic-Museum nach Belfast, also müssen wir wohl irgendwann noch einmal herkommen. Am Zielort angekommen kümmerte er sich darum, dass wir uns für unsere Tour nach Knowth anmeldeten und sorgte sogar dafür, dass wir auch noch nach Newgrange fahren durften.
„Fahren“, weil man von dem Besucherzentrum dort nochmal grüppchenweise in extra Bussen zu den Kultstätten selbst gefahren wurde. Bis es allerdings für uns so weit war, hatten wir noch viel Zeit und informierten uns im Museum erst einmal über die Lebensweise der Menschen um die Zeit 3000 vor Christus und darüber, woraus die Archäologen überhaupt Rückschlüsse auf das damalige Leben ziehen können.

Was ist das besondere bei der Wintersonnenwende hier?
Nach einer Kaffe- und Kuchen-Stärkung (verhungert sind wir alle nicht, wie man merkt) machten wir uns auf zur ersten Tour nach Knowth. Auch dieser Busfahrer konnte erst gar nicht glaube, dass wir ohne „Erwachsene“ unterwegs sind, fuhr uns dann aber doch zur ersten Führung. Die nette Dame dort erklärte uns, was es mit diesen Orten (eben Knowth und auch Newgrange) auf sich hat: An diesen Stellen haben die Steinzeitmenschen riesige Hügel aufgebaut, in denen schmale Gänge sowie eine kreuzförmige Kammer in der Mitte frei gelassen wurden. Jedes Jahr zur Wintersonnwende am 21. Dezember scheint die Sonne direkt in einen der Gänge und wirft so für ein paar Minuten einen Lichtstrahl in den sonst dunklen Steingang. Stellt euch mal vor, wie gut die Mathe gekonnt haben mussten, dass die das so exakt ausrechnen konnten, in welchem Winkel und in welche Richtung der Gang geöffnet sein musste! Nachdem im Inneren der Kammer Knochenreste gefunden wurden, gehen die Forscher davon aus, dass die Menschen damals die Asche ihrer Verstorbenen dort aufgeschichtet haben und davon ausgingen, dass die Seelen der Toten an eben diesem einen Tag im Jahr durch den Lichtstrahl mit ins Jenseits genommen wurden. In Knowth war diese Erklärung noch recht nüchtern und wir gingen nur um den Hügel herum sowie oben drauf und schauten uns die in Stein geritzten Muster an, die – so sagte es die Führerin – sehr viel Spielraum für Interpretationen zuließen.

Wie sieht es in Newgrange aus?
Bei der zweiten Tour nach Newgrange konnten wir diese ominöse Kammer aber sogar betreten und mit einer Lampe wurde uns gezeigt, wie das Licht dann am 21. Dezember durch den Gang flutet. Das war ein sehr beeindruckendes Erlebnis! Um einen herum waren Tonnen von Steinen, es war stockdunkel, aber irgendwie heimelig und man fühlte sich geborgen. Der Führer dort betonte, dass man hier wohl wirklich für die Ewigkeit bauen wollte. Plötzlich strahlte ein helles Licht in den Raum, das einen goldenen Pfad auf den Boden warf. Da kann man sich gut vorstellen, dass die Menschen hier eine Verbindung zum Jenseits und den Göttern gesehen haben.
Nach so viel Mystik und geheimnisvollen Erfahrungen war es dann Zeit für ein bisschen Spaß und ich ließ mich die wahnsinnig grüne (ich weiß nicht, was die in Irland mit ihrem Gras machen, dass das sooo grün wird!) Wiese herunterrollen. Alle meinten, ich sehe dabei so süß aus, dass es sogar ein Video davon gibt.
Auf unserer Rückfahrt waren wir dann (fast) alle so geschafft, dass wir geschlafen haben – nur Emily und Sophia fielen vom einen Kicher-Flash in den nächsten, womit sie mich immer wieder aus meinen rosa Träumen gerissen haben… Aber sie haben so lustig gelacht, dass ich das dann doch nicht so schlimm fand.

Was ist das nur mit den Handys
Kurz vor dem Abendessen gab es dann noch einen Schockmoment – eine unserer Damen hatte ihr Handy im Bus liegen lassen! Nach ein bisschen Hin- und Her-Telefoniererei konnte Johannes aber unseren Busfahrer noch erreichen, der so nett war, uns das Handy noch zu bringen. Ich kapier ja gar nicht, was ihr Menschen mit diesen kleinen Kästen wollt – man kann sie nicht essen und telefonieren tut mittlerweile auch kaum noch jemand damit. Aber das versteht man als Schwein wohl nicht…
Ich habe mich dann dafür schon auf das Essen gefreut: Es wurde wieder im Hostel gekocht und wir haben den Reis von gestern mit ein bisschen Tomatensoße und Käse gegessen – interessante Kombination aber echt ganz gut! Aus unserem Essensraum konnten wir dann die Ankunft eines (so haben es die T-Shirts verraten) Englisch-LKs beobachten. Für alle, die das nicht kennen: Am Gymnasium in anderen Bundesländern (bei uns gab es das im G9 mal) kann man bestimmte Fächer, die einem Spaß machen, als „Leistungskurse“ wählen – das bedeutet, dass man dann da sehr viele Unterrichtsstunden hat und eben zum Beispiel auch eine Studienfahrt unternimmt, wie es diese Schüler mit zwei Lehrern gemacht haben. Auf unsere Nachfrage haben wir erfahren, dass sie aus Gladbach kommen. Echt spannend, welche Leute man in so einem Hostel trifft!
Rückblickend kann man sagen, dass heute echt wieder ein spannender Tag war – nur die gestern gekauften Hoodies haben sich als zu warm herausgestellt.
Apropos warm – mit dem Wetter haben wir ja echt wahnsinniges Glück! Bis auf die kurzen Schauer bei unserer Ankunft und ein bisschen Regen in der letzten Nacht hatten wir immer trockenes Wetter, meistens mit weiß-blauem Himmel, wie wir es aus München gewohnt sind. Ich hab auch extra die Zeit vor der Reise immer brav mein Essen aufgegessen – das scheint doch was zu bringen…

Text: Veronika Huber Fotos: Sophia Kalmbacher, Veronika Huber und Johannes Schumm